Wuppertal. Haan. 26 Dezember 2019. Seit dem 15. August 2019 haben wir den Osterholz Wald besetzt. In diesen vierundeinhalb Monaten ist viel passiert. Der Wald, der ab Oktober gerodet werden sollte steht noch, und das ist gut so. Wir werden uns einer eventuellen Rodung für die Kapitalinteressen einer Privatfirma namens Oetelshofen, weiterhin aktiv in den Weg stellen.
Am 20 September gingen Millionen von Menschen weltweit auf die Straße, um für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren. Die Antwort der Bundesregierung sollte eine Lektion sein für alle, die denken, dass entscheidende Änderungen von den Herrschenden kommen werden. Das vorgelegte “Klimapaket” der Bundesregierung ist vor allem ein Konjunkturpaket für die (E) Autoindustrie. Das vorgeschlagene Kohlenaussteigsgesetz ist vor allem ein Windkraftausstiegsgesetz. Die Herrschenden versuchen sich mit Täuschung der öffentliche Meinung durch zu mogeln. M.a.w Business as usual. Auch die COP 25 Klimaverhandlungen sind gnadenlos gescheitert. Kein Wunder, denn die Herrschenden haben längst begriffen, was zu tun ist, aber genau dies wollen sie eben nicht tun. Die, die der Meinung sind, dass die Regierenden “den Ernst der Lage noch nicht verstanden haben”, erliegen eines Irrglaubens: Die Herrschenden haben den Ernst der Lage sehr wohl verstanden.Ihre Interessen liegen schlichtweg woanders. Die Lakeien des Kapitals stehen für ein immer weiter so und ihre Freunde des grünen Kapitals wollen nur geringfügig was ändern. Statt komplette Regionen für Kohle zu zerstören, möchten sie nun einzigartige Landschaften für den Abbau von Lithium für ihre E-Autos zerstören lassen. Die gleiche Soße, nun aber mit einer grünen Farbe.
Versteht uns nicht falsch. Die Fridays for Future Streiks gibt es jetz seit über einem Jahr und sie sind richtig und wichtig. Sie haben viele Menschen sensibilisiert und politisiert. Neben den Demonstrationen von Fridays For Future, die einen appelierenden Charakter haben, gibt es viele Waldbesetzungen, Ende Gelände und andere Initiativen, die aktiv Widerstand leisten. Wir sind Teil dieser Bewegung und begrüßen die vielen Aktionen, die Sand im Getriebe der zerstörerischen kapitalistischen Maschinerie streuen. Wir sind aber nicht blind. Wir sehen das in der nordeuropäischen Klimabewegung oft “linksliberal” argumentiert wird. Auch wenn die Systemfrage zunehmend gestellt und auch diskutiert wird (und das ist gut so!), gibt es linksliberale Kräfte, die an die Herrschenden appelieren. Also an die, die uns an den Punkt gebracht haben, wo wir jetzt sind.
Immer wieder werden von den Herrschenden Jobs ins Spiel gebracht. Die Jobs in der Kohleindustrie, oder wie im Osterholz Wald, die Jobs in der Kalkindustrie. Über Jobverluste durch Automatisierungswellen, geänderte Marktanforderungen usw., wird natürlich nie gesprochen. Die Existenzen von Lohnabhängigen in verschmutzenden Industrien werden von den Herrschenden in Geiselhaft genommen, um ihre zerstörerischen Interessen durchzusetzen. Das Schicksal dieser Menschen ist denen aber genau so egal, wie das Schicksal der Menschen, die durch die Änderungen des Klimas jetzt schon ihre Städte und Dörfer gezwungenermaßen verlassen müssen, da die Lebensgrundlage dort schon jetzt nicht mehr vorhanden ist.
Raoul Vaneigem hat in November diesen Jahres geschrieben: “Umweltschützer*innen, warum sich die Mühe machen, Staaten für die Verbesserung des Klimas anzuschreien, wenn die gleichen Staaten euch verspotten, indem sie jeden Tag mehr verschmutzen, obwohl es dringend notwendig ist, auf einem Gebiet zu handeln, wo die Fragen nichts mit intellektuellen Feinheiten zu tun haben.”
Wenn wir eine wirkliche Veränderung bewirken wollen, wird das nur möglich zu sein, wenn wir die Klimafrage als Teil einer Infragestellung des Systems begreifen, das diese Klimakatastrophe verursacht hat, und mit ihren “Lithium-Lösung” direkt auf die nächste Katastrophe zusteuern. Wir müssen uns von den Ketten befreien, Ketten die manchmal unsichtbar sind. Jedoch spätestens bei der Existenzfrage sichtbar werden. Die Abhängigkeiten sind so grundlegend, dass sie nicht reformierbar sind. Hier die besitzenden Teile der Gesellschaft die diktieren, wo die Reise hingeht, dort die Lohnabhängigen, die als Bittsteller*innen ab und zu eine kosmetische Änderung “beantragen” können.
Alle großen Änderungen wurden in der Vergangenheit erkämpft und nicht erbeten. Das wird dieses mal erst Recht so sein, denn Klimagerechtigkeit setzt zwangsläufig das ganze System in Frage. In Länder wie z.B. Chile wird gerade gezeigt, was zu tun ist. Dort wird die Bevölkerungen seit über 2 Monaten nicht mehr mit kleinen Zugeständnissen besänftigt. Große Teile der Bevölkerung haben begriffen, dass es ein langer und harter Kampf wird,die Elite, die sie in die neoliberale und auch ökologische Katastrophe geführt hat, verschwinden muss, damit alles von Grund auf neu aufgebaut werden kann.